Ein guter Freitag
Eine andere Sicht auf den Tag der Kreuzigung Jesu
Ich bin in der Arbeit eines christlichen Jugendverbandes aufgewachsen. Das hat mich geprägt, angefangen über Kindergruppen und Jugendgruppen, später dann in einem Bibelkreis. Zahlreiche Freizeiten im Kinder- und Jugendbereich gehören zu meinem Erfahrungsschatz.
Zuhause habe ich als Kind das tiefe Vertrauen zu Gott gelernt. Jetzt wurde das auf das zentrale Handeln Gottes in Jesus Christus fokussiert. Ich lernte: Jesus ist für meine Sünden gestorben. Und auch: Mein Dasein hat Gott extrem viel gekostet. Sein einziger Sohn musste für mich sterben! Von jetzt an musste ich mein Leben an Jesus orientieren. Und vorsichtig sein, dass ich es nicht noch schlimmer mache. Zwar gibt es Vergebung, aber überall konnte ich ja wieder schuldig werden! Insofern lebte ich/lebten wir in dem Bewusstsein: Jetzt nur aufpassen, dass ich nicht wieder sündige. Ich war ja von Gott „teuer erkauft“ (vgl. 1. Kor 6,20; 7,23). Alles konnte zu einem Problem werden, sodass man die Rettungstat Jesu dann nicht wirklich ernst nahm. Vorsicht war geboten. Was dann in der Konsequenz bedeutete, dass man irgendwie ängstlich durchs Leben ging.
Zwar gab die Aussage, dass man von Gott zu 100% geliebt ist. Einfach so. Man nennt es die Rechtfertigungslehre, wie sie insbesondere von Paulus ausformuliert wurde. Es gab also dieses JA und immer war zugleich ein kleines ABER zu hören. Nie konnte man ganz sicher sein.
Dazu passte an sich der Karfreitag sehr gut. „Kar“ kommt von Klagen. Ein Klagefreitag über das, was Jesus erlitten hatte. Er wurde gefoltert und geopfert. Und dazu muss man sich ja irgendwie verhalten. Meistens fühlte ich mich deshalb schlecht und zugleich auch irgendwie hilflos.
Ich erzähle das, weil ich glaube: Das könnte auch anderen passiert sein, bzw. gibt es noch heute. Jesus stirbt am Kreuz. Du bist schuld. Fühl Dich schlecht.
Was für eine Last, am Tod eines anderen Menschen schuld zu sein. Und der ist dann auch noch Gottes Sohn!
Wie kann ich mit dem Tod Jesu angemessen umgehen? Das ist hier die Frage. Eine Regression oder Depression als Folge von Karfreitag ist einfach eine schlechte Perspektive.
Und da höre ich: Im englischsprachigen Raum wird dieser Klagefreitag "Good Friday" genannt.
Wieso haben die einen guten Freitag und wir haben einen Klagefreitag? Der Unterschied kann ja kaum größer sein.
Hier die Antwort: „Wir schauen darauf, dass uns dieser Freitag das Heil gebracht hat. Es ist ein Teil von Gottes Plan, die Menschheit von Sünde zu erretten. Trotz des Leidens Jesu kann er also als notwendiger Schritt zur Erlösung der Menschheit verstanden werden. Und die ist gut.“
Gott braucht keine Opfer. Jesus hat Gottes Liebe zu den Menschen konsequent gelebt. Und in dieser Konsequenz dann die Folgen eines Lebens erlitten, dass sich in sich selbst verschließt. Das ist theologisch mit Sünde gemeint. Du bist nicht frei, kannst Dich nicht frei aufrichten und leben.
Jesus nimmt die Sünde auf sich, jedoch ist es die freie Tat unbedingter Liebe. Wenn man so will: Jesus hat sich an den Menschen zu Tode geliebt „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ Joh 15,13
Wem das zu verkopft klingt, hier ein Vorschlag für die Gestaltung des Karfreitag, bzw. Good Friday:
Lies z.B. die Passionsgeschichte nach Matthäus (27,33-54). Und schau dir an, was passiert. Die Menschen, die auf Jesus am Kreuz reagieren sind zugleich auch Repräsentanten von Haltungen, die immer wieder auftauchen. Auch in einem selbst. So gesehen, kann ich mich mal dazu stellen und mir diese Selbstgespräche anhören:
Erklärungen
Man findet Erklärungen: Er hat den Tod verdient, weil er sich für den König der Juden ausgegeben hat. (V.37)
Inwiefern bin ich selbst jemand, der zu schnellen Urteilen neigt? Die Situation wird er-klärt. Es gibt einen Grund für Strafe. Die Opfer bleiben dabei ungehört, bzw. sind selbst schuld. Nichts wird klar, bzw. geklärt. Nur er-klärt. Welche Tragik!
Zeig's uns!
V. 40: "Steig vom Kreuz, wenn Du Gottes Sohn bist". Das ist die Logik, die nur Macht kennt. Jesus jedoch hat die Macht, ohnmächtig mächtig zu sein. Was sind dagegen meine Lösungen? Was ist die Macht der Ohnmacht Jesu? Wie kommt sie mir nahe?
Der ungeliebte Sohn
Die intellektuelle Elite seinerzeit (Schriftgelehrte und Älteste) hatte ein weiteres logisches Statement: „Gott mag dich einfach nicht. Sonst würde er dir doch helfen.“ (V.43)
Würde ich an Gott glauben, wenn er sich durch eine Machtdemonstration beweisen würde? Und was wäre das für ein Glaube? Könnte eine Frage sein, dabei zu verweilen. Und besonders: Woran kannst Du erkennen, dass Gott dich liebt?
Karfreitag - der gute Freitag – ist ein Anlass, ein inneres Gespräch mit dem Gekreuzigten zu führen. Und was mag sich dann einstellen? Dass ich mich in meiner eigenen Opfergeschichte gesehen und verstanden fühle? Dass ich aufhöre, alles zu rationalisieren und zu erklären – um Recht zu behalten? Dass ich das Leiden anderer nicht mehr erklären muss – und sie selbst dabei aus dem Blick verliere?
Gar nicht so einfach, Gott die Sache zu überlassen. Dass er zu Ende bringt, was er begonnen hat
Wie also einen Karfreitag verbringen? Vielleicht einfach mal alles aus der Hand legen. Alle guten Gründe, Erklärungen und auch Verlegenheiten. Um offen zu werden für die ausgebreiteten Arme der Liebe Gottes.
So oder so: Es ist ein guter Freitag, an dem Gott unsere Angelegenheiten ein für allemal regelt. Und da darf ich mich gut fühlen.
Hab einen guten Karfreitag.
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Margareta Wermuth aus Leer (Dienstag, 02 April 2024 01:36)
Ich bin unendlich dankbar für diese Gesichtspunkte. Sie haben etwas Befreiendes für mich. Schon als Kind fühlte ich mich richtig mitschuldig an Jesu Kreuzigung. Eine strenge, christliche Erziehung machte mir große Angst. Viele Jahre gestalte ich den Gottesdienst ab sechs Uhr am Ostersonntag mit. Er ist der zutiefst mich bewegende Gottesdienst, es wird Licht. Jesus ist wahrhaftig auferstanden! Er ist unser Licht, unsre Zuversicht.
Dankeschön für diese große Freude !!!