Tribute to Luna - Kontaktstudium und teilnehmende Beobachtung


Tribute to Luna

Kontaktstudium und teilnehmende Beobachtung

Tribute to Luna

Kontaktstudium und teilnehmende Beobachtung

 

Jedenfalls bin ich jetzt in einem Studiensemester gewesen. Und zugleich in einer WG gelandet. 

Davon handelt dieser Text hier. Ich möchte eine WG-Erfahrung mit Euch teilen.

 

Wir waren zu dritt. Zwei Frauen ungefähr im Alter von Studierenden. Und ich: Ca. 80. Semester.

Das funktionierte echt gut: Jeder hat einfach sein Ding gemacht und man hat sich weitestgehend in Ruhe gelassen. Ab und zu mal zusammen gegessen oder abends im Hof gesessen und erzählt. Sehr schön!

Dann kam eine neue Mitbewohnerin: Luna zog bei uns ein. Von da an wurde es spannend. Luna musste nie überlegen, was sie gerade wollte. Wenn gute Stimmung in der WG war, ging Luna selbst ab wie eine Rakete. Voll die Begeisterung. 

 

Wenn wir einfach so zusammensaßen, ist sie manchmal dabei auf dem Sofa eingeschlafen. 

Konnte andererseits aber auch unfassbar Rabatz machen, wenn ihr was nicht passte.

Trotz einiger emotionaler special effects war sie gut bei sich. Also irgendwie voll authentisch. 

Zur Morgenandacht – sowas gab es da – ist sie oft gekommen. Eine innere Beteiligung ließ sie nicht erkennen. Hat z.B. nie mitgesungen.

Vielleicht war das einfach auch zu viel verlangt. 

Luna ist eine Hundedame. Modell Powerdackel. 

 

Irgendwann bin ich angefangen zu überlegen: Wenn Du schon studierst und in einer WG wohnst: Was könntest Du von Luna lernen? 

Niemand hat mir gesagt, dass mein Kontaktstudium, wie es offiziell heißt, nur für rein kognitive Zusammenhänge im Horizont von Geites- oder Naturwissenschaften abzulaufen hat. Und schließlich – habe ich im Kontaktstudium gelernt: Es gibt die Methode der teilnehmenden Beobachtung. Also, Du machst mit, um herauszufinden, was es mit Dir macht.

Zum Abschied hab‘ ich Luna eine Beißstange geschenkt. So eine Art Knochen auf dem man herum kauen kann. Das habe ich allerdings selbst nicht ausprobiert im Rahmen meiner teilnehmenden Beobachtung. 

Ich habe mich noch nie über eine Beißstange gefreut. Luna schon. Hat mit Hingabe darauf gekaut. Und ich habe die Lebensweisheit abgeleitet: 

 

Wenn Dir das Leben einen Knochen hinhält – beiß drauf!

 

Und das hat Luna auch immer so gemacht. 

Wenn mir das Leben einen Knochen hinhält, ist halt die Frage: Bin ich Hund oder Mensch? Man muss auch gar nicht alles kauen oder schlucken, was einem vorgesetzt wird. 

 

Menschen können über sich reflektieren. Sie denken nach. Und auch vor. Gerne auch im Kreis. Oder sie über-legen. 

Luna jedenfalls überlegt scheinbar gar nicht. Freut sich nur. 

Sie hat wohl nie darüber nachgedacht, wie sie ihr Leben optimieren kann. Keine Klausuren, kein WG-Stress wegen unerfüllter Putzpläne. 

Von Luna kannst du lernen, einfach wesentlich zu sein. Die macht, was ihrem Wesen entspricht. 

Menschen machen Yoga, Achtsamkeitsübungen oder sonst etwas, um bei sich anzukommen. Und beschäftigen sich dabei mit der Frage:

 

Kannst Du dich erinnern, wer Du warst, bevor dir jemand gesagt hat, wer du sein sollst?

 

Da hat man zu tun. 

Oder man ist wie Luna.

 

Es gibt sogar noch weitere Unterschiede zwischen Menschen und Hunden. Hunde können extrem gut schnüffeln.

Menschen haben 20-30 Millionen Riechsinneszellen. Hunde 250 Millionen. D.h., sie müssen auch gar nicht überlegen, wo es lang geht. Sie erschnüffeln es!

Auch riechen sie, wenn etwas nicht stimmt. Deswegen sind sie Symbol für die Unterscheidung von Freund und Feind. Hunde markieren die Grenze – und sie erkennen sie sehr schnell. Wenn man so will: Die riechen, dass ich schwitze, bevor ich es selbst merke. Sie können blitzschnell erschnüffeln, wenn hier etwas nicht passt. Wenn Grenzen nicht mehr eingehalten werden.

 

Hast Du Feinde?

 

Überraschend kam die Sache mit der Unterscheidung von Freund und Feind dann in einem Seminar wieder. In der Vorlesung erwähnte der Dozent das Buch „Müdigkeitsgesellschaft“ des Philosophen Byung-Chul Han von 2010.

Zusammengefasst vertritt dieser die These: Freund und Feind lassen sich nicht mehr so leicht unterscheiden. Die Gewalt (z.B. durch Ausbeutung) ist heute nicht einfach nur außen. Sondern im System selbst.

Will sagen: Du kriegst es zunächst gar nicht mit; nicht andere setzen dich einfach unter Druck, sodass Du mehr Leistung bringst. Effektiver als Fremdausbeutung ist Selbstausbeutung. Fühlt sich zunächst an wie Freiheit. Opfer und Täter sind jedoch nicht mehr unterscheidbar. Der Ausbeutende ist gleichzeitig der Ausgebeutete. Was den Philosophen zu dem Schluss bringt: Die psychischen Erkrankungen der Leistungsgesellschaft sind die pathologischen Manifestationen dieser paradoxen Freiheit. […] In dieser Zwangsgesellschaft führt jeder sein Arbeitslager mit sich. Die Besonderheit dieses Arbeitslagers ist, dass man Gefangener und Aufseher, Opfer und Täter zugleich ist. So beutet man sich selbst aus.“ (zitiert nach einer Vorlesung von Prof. H. Eschmann, TH Reutlingen).

 

Jedenfalls sehr krass, dafür erst mit einem Hund in einer WG zusammenzuwohnen, um den Spiegel vorgehalten zu bekommen.

 

Jetzt ist gerade Lernwoche in der ESG. Jede/r hat noch genug vor sich: Klausuren, Hausarbeiten, z.B. am Ende einer Vorlesungszeit kann man auch mal müde sein. Ohne die Kunst der Unterscheidung kann daraus auch eine tiefe Erschöpfung werden.

Hoffentlich kriege ich das dann mit.

Ob es deshalb „Kontaktstudium“ heißt, das Studiensemester? Also im Sinne von: Ich dehne meine teilnehmende Beobachtung auf mich selbst aus. Und komme neu in Kontakt. Mit mir, mit anderen, mit Gott. 

 

Was nun?

 

Von der Anglikanischen Kirche wurden vor Jahren mal sechs Gebote gegen den Stress herausgegeben. 

Sozusagen Lifehacks. Im Sinne: Was mein Leben leichter macht. 

Jedenfalls bieten sie einige schöne Weisheiten, um besser unterscheiden zu können, was gerade in einem passiert.

 

Hier sind sie:

1.   Du sollst nicht versuchen, es jedem recht zu machen

2.   Du sollst Dir genügend Zeit für deine Freunde, deine Familie, für dich selbst nehmen

3.   Du sollst regelmäßig abschalten und nichts tun.

4.   Du sollst ab und zu langweilig, unelegant, ungepflegt und unattraktiv aussehen dürfen.

5.   Du sollst aufhören, dich selbst zum ärgsten Feind zu haben.

6.   Du musst nicht mit allem allein fertig werden.

 

Was mich zweierlei lernen lässt:

Manchmal braucht man eine WG, um Wesentliches zu erkennen. Natürlich mit Hund!

Und ich entschließe mich, die teilnehmende Beobachtung auf mich selbst auszudehnen. Damit ich mitbekomme, wenn etwas über meine Grenze geht.

 

Allen ein gutes Gelingen und viel Segen für die Klausuren und Hausarbeiten! Und eine gute vorlesungsfreie Zeit.

 

P.S.: Ganz besondere Grüße an die Mitbewohnerinnen in der WG. Ihr seid großartig! Bitte an Luna weitersagen.;)

 

P.P.S: Wenn sich jemand über den Studiengang informieren will, den ich belegt habe: https://www.th-reutlingen.de/de/studiengaenge/master-christliche-spiritualitaet/

Luna
Luna

Hier findest du noch weitere Blogeinträge von uns.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0