Die Farbe der Worte - Du bist ein Gott, der mich sieht


Die Farbe der Worte

"Du bist ein Gott, der mich sieht."


 

 

Oskar Schnetter sieht gelb

 

Oskar Schnetter war Jugendreferent. Und hatte in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Idee. Er ließ jeden Monat einen Bibelvers auf ein gelbes Plakat drucken. Diese Plakate wurden dann überall verteilt.

 

Weil die Monatssprüche auf gelbes Papier gedruckt wurden, nannte man sie damals die „gelben Monatssprüche“. Ziemlich schnell erreichten diese in der Zeit des Kirchenkampfes im Dritten Reich eine Auflage von 500.000 Exemplaren. Eine halbe Million Plakate. Das war eine unfassbare große Anzahl. Und hatte natürlich Auswirkungen. Dies stieß auf deutliches Missfallen der Nationalsozialisten. Deren Partei, die NSDAP, gab daraufhin den „Braunen Spruch“ heraus. Mit dem „Gesetz zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen Partei und Staat“ wurden die Plakate mit dem gelben Monatsspruch schließlich verboten. (vgl. Jahreslosung.net) Zu gefährlich für die Nazis.

 

Gelb gegen Braun

 

Der braune Spruch existiert nicht mehr.

Bibelverse als Leitgedanken für den Tag, den Monat, das Jahr gibt es immer noch. Einen Satz als Überschrift oder Motto für einen bestimmten Zeitraum, das ist der Gedanke dahinter.

Wenn man an Oskar Schnetter denkt, könnte man auch fragen:

Welches Wort wird heute zum Widerstand? Welches Wort weist über die Situation hinaus?

Gegen alles, was man am Ende eines alten Jahres noch nicht abgelegt hat. Oder für das neue Jahr fürchtet. Und gegen die, die gerne Angst machen? Manchmal ist Widerstand dran!

 

Der Bibelvers für das Jahr 2023 – Jahreslosung genannt – ist Teil einer ganzen Geschichte. Die geht so: Sarai, die Frau Abrams, hatte die Idee, Gottes Versprechen mal ein bisschen unter die Arme zu greifen. Sie wurde nicht einfach nicht schwanger. Das hatte Gott ihr versprochen. Also gab sie ihre Sklavin Hagar an Abram, damit ein Kind geboren wird. Das war damals nicht verwerflich. Die Sklavin sorgt für die Geburt des Sohnes, sodass die Zukunft gesichert ist. Das Kind gilt dann als Kind der Herrin. Hagar, die Sklavin, wird dann auch wirklich schwanger.

Die beiden Frauen jedoch geraten in Streit. Sarai beschwert sich bei ihrem Mann über die Respektlosigkeit der Sklavin ihr gegenüber. Der sagt: „Mach mit ihr, was Du willst.“

Am Ende befindet sich Hagar auf der Flucht vor der Situation und vor Sarai und landet in der Wüste.

 

Oase statt Wüste

 

Hier in der Wüste hat Hagar eine besondere Begegnung. Ein Bote Gottes spricht zu ihr. Dieser Engel fragt sie: Wo kommst Du her und wo willst Du hin?

 

Was für eine liebevolle Frage! Da kann ich einmal alles loswerden, was zu meinem Leben gehört bis auf diesen Tag. Und das geht auch für einen persönlichen Jahresrückblick. Hier ist Raum, Vergangenes zu erzählen. Und Gott hört zu.

 

Wo willst Du hin?

 

Hagar selbst hat keine Idee für ein Ziel, einen Ort, eine Zukunft. Wo willst Du hin? kann sie nicht beantworten. Schwanger und verstoßen. Tolle Perspektive.

 

Dennoch: Hagar und ihr Kind, ihnen wird eine Zukunft versprochen!

Durch die Begegnung Hagars mit Gott in der Gestalt eines Engels kommt ein neuer Name für Gott in ihr Leben: Du bist ein Gott, der mich sieht (Gen 16,13)

 

Das neue Jahr mag für dich offen sein. Der Name Gottes aber für alle Unterdrückten, Unsicheren, Weggelaufenen ist in der Welt: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Wie anders fühlt sich alles an, indem der liebevolle Blick Gottes auf mir ruht! Ich werde freundlich angesehen. Und so kann das neue Jahr beginnen.

 

Die Nazis damals hatten Angst vor der Aktion, einen einzelnen Bibelvers auf gelbes Papier zu drucken und im Land zu verteilen.

Denn der Widerstand gegen alles, was Angst macht, bedroht, klein macht und die Würde nimmt geschieht auf einer anderen Ebene.

Ich weiß mich gesehen; Gott schaut mich in meiner Situation an. Das freundliche Gesicht Gottes wird mir zum Segen „Der HERR lasse leuchten sein Angesicht über Dir und sei Dir gnädig.“ hören wir am Schluss des Gottesdienstes.

 

Und damit gehe ich in das neue Jahr. Durch das Ansehen Gottes gibt es Ansehen. Und für Hagar mit ihrem Sohn eine gute Zukunft.

Ich wünsche Dir, dass Du dich in jeder Situation gesehen weißt. Und sich daraus ein heilvoller Weg durch das neue Jahr zeigt. Ich wünsche Dir einen guten Rutsch (das Wort Rutsch kommt ursprünglich vom hebräischen Wort für Kopf („Rosh“ Der Wunsch meint also: Guten Anfang!)

 

 

P.S.: Nochmal kurz zur Farbe der Worte. Braune Worte sind manchmal wieder in Mode. Gelb dagegen ist die Farbe der Sonne, der größten Kraft in unserem Leben. Und es ist letztlich Gottes Farbe, die alles überstrahlt. „Ja, Gott, der HERR, ist Sonne und Schild.“(Ps 84,12a)

 

In diesem Sinne: Du bist ein Gott, der mich sieht. 

Foto: Luis Quintero
Foto: Luis Quintero

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