Fasten


Fasten

Fastenzeit - mein Freiraum

Fastenzeit

mein Frei-Raum

Es ist stockdunkel, kurz vor Mitternacht. Man vernimmt nur das Atmen der Menschen im Raum, kaum, dass man einen Umriss sieht.

Vorsichtig greife ich in meine Jackentasche. Es raschelt und knistert. Dann bin ich vorbereitet. Und ganz langsam breitet sich Freude in mir aus, trotz der Dunkelheit. So ein Hauch von Hoffnung ist zu spüren. Und das fühlt sich gerade echt gut an.

 

Mach doch mal was anders

Dass jetzt eine Fastenzeit sein soll, merkt man kaum. Die sieben Wochen vor Ostern sind komplett mit anderen Themen überlagert. Und doch: Was wäre denn die Chance darin, sich alternativ zu verorten? Z. B. in einem Rhythmus zu leben? Dazu gibt es die unterschiedlichen Zeiten. Zeiten der Vorbereitung und Festzeiten.

Für die Vorbereitung auf Ostern gibt es übrigens krass viele unterschiedliche Namen: Fastenzeit, Passionszeit, österliche Bußzeit. Immer ist es eine Einladung: Mach doch mal was anders.

In der Zeit, als Fasten obrigkeitlich angeordnet wurde, war das oft eine Maßnahme, um Macht auszuüben.

Als hätte Gott jemals darauf bestanden, dass seine Geschöpfe verzichten müssen. Und wozu überhaupt? Jahrhundertelang bestand das Leben der Menschen oft aus Mühen, Leiden, Hunger. Von was sollten die verzichten?

Selbstkasteiung als Programm, Askese, Verzicht – was soll damit erreicht werden?

In der Freiheit des Glaubens muss gar nichts! Punkt.

In der Freiheit des Glaubens geht vieles! Doppelpunkt.

Mein Bild zur Fastenzeit ist: Irgendwann entdecke ich, dass ich langsam aber sicher zugemüllt werde. Geistig, seelisch und körperlich.

So viele Diskussionen, so viele Emotionen, soviel Essen ohne Genuss. Obwohl ich sehr beschäftigt bin, ist gleichzeitig eine Art Stillstand da.

Worauf bin ich ausgerichtet? Habe ich ein Ziel vor Augen? Oder haben längst Algorithmen mein Leben übernommen? Sie kennen meine Bedürfnisse und befriedigen sie rasant schnell: Prime eben. Das Bild der Hamsterrolle kommt mir in den Sinn. Vollgas geben und dennoch auf der Stelle stehen.

 

Sich spüren

Und doch kann ich ein Sehnen spüren. Es könnte auch ganz anders sein. „Wie komme ich näher zu Dir, mein Gott?“

Fasten ist ein Angebot, sich zu fokussieren: Ich lasse etwas weg. Ich verzichte. Immer schon bin ich mehr als die Summe meiner Aktivtäten, meines Überholspurdaseins. Freiräume entstehen.

Manches lässt sich im Leben nicht steigern. Jesus ist immer schon da. Und oft kriege ich es nicht mit. Gott stellt sich mit einem wunderschönen Namen vor: Ich bin, der ich bin da, wo Du bist. (vgl. Ex 3,14) näher geht es nicht.

Dass ich es oft nicht spüre, könnte Teil meiner Beschäftigung sein. Und da ist Fasten doch eine Möglichkeit für neue Freiräume

 

Neue Möglichkeiten

Wer Lust hat, mal was auszuprobieren:

Auf der Ebene der Seele: Ich verzichte auf meine Emotionen. Im wörtlichen Sinn „e movere“ heißt das: herausbewegen. Da bin ich nicht mehr bei mir selbst. Die Emotionen übernehmen die Herrschaft. Mit einem stimmigen Gefühl bleibe ich bei mir. Wut- und Spießbürger lassen Emotionen erkennen. Das Thema hat sie im Griff statt umgekehrt. Was hat mich also immer wieder als Emotion im Griff?

Auf der geistigen Ebene: Ich verzichte auf Ideologien. Also: Vorstellungen von Wirklichkeit. Die aber eben nicht die Wirklichkeit sind. Da ist man schnell mal von dem gekrallt, was man sich vorstellt. Hier könnte man auch gut mal ein Themenfasten machen. Themen, die dauernd wieder auftauchen, ohne, dass irgendeine Entwicklung stattfindet. Damit beschäftige ich mich später wieder. Oder ich entdecke: Fehlt mir gar nicht.

Klar, man kann auch körperlich fasten. Wenn dadurch neue Freiräume entstehen und nicht die Waage das Diktat übernimmt. Aber bevor Du es tust: Hast Du nicht schon genug gefastet in den letzten beiden Jahren? Insofern kann es sehr stimmig sein, mal Fastenverzicht zu üben.

Nebenbei: Sonntage sind keine Fastentage. Da wird schon mal vorgefeiert. Die Auferstehung, das unvergängliche Leben.

Zurück zum dunklen Raum vom Anfang. Es war eine Osternacht vor vielen Jahrzehnten. Und ich habe gemeint: Wenn ich sieben Wochen ohne Schokolade durchhalte: Das wäre doch was! Mit dem ersten Glockenschlag am Ostermorgen haben dann alle ein altes Lied angestimmt. „Christ ist erstanden!“ Statt eines neuen Freiraums hatte ich den Mund voller Schokolade. Interessante Erfahrung.

 

 

Lass mal hören, welche neuen Freiräume sich in den nächsten Wochen bei Dir auftun!

Foto: Ulrich Melzer
Foto: Ulrich Melzer

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