Ich mag Dich leiden (II)
Teil II Zur Theodizee
Oder: „Ich mag dich, Leiden!“ Wäre natürlich eine krasse Liebesgeschichte. Leiden hätte dann in meinem Leben eine Funktion. Welche könnte das sein? Ich fühle mich schlecht. Und das war schon immer so. Also fühle ich mich dann auch irgendwie wie in einer vertrauten Situation. Da bin ich dann zuhause.
Klingt natürlich total schräg. Bis man entdeckt: Hab ich da vielleicht auch solche Anteile?
Auf Gott als letztem Grund projiziert gibt man dem Leiden dann auch noch einen höheren Sinn. Ich leide, weil Gott es so will, schließlich ist er der Weltenherrscher, der Allmächtige.
Damit sind wir wieder beim Blindgeborenen aus Johannes 9 (siehe Impuls vom 31.10.). Menschen erklären für andere, was sich wie verhält. Krankheit als Strafe für Fehlverhalten halt.
„Wer hat gesündigt, der Blinde selbst oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?“
Steckt hinter der Frage der Drang, Leiden erklären zu können?
Ja, klar, es geht ein Riss durch diese Welt. Was Menschen säen, das ernten sie auch. Sprich: „Selbst schuld“ kann die Folge verfehlter Freiheit sein.
Jesu Antwort an seine Freunde zeigt, dass es kein Leiden als Selbstzweck gibt. Denn: Die Taten Gottes sollen am Blindgeborenen offenbar werden. Sprich, einzig die Entwicklung zur Veränderung ist interessant, weil heilvoll.
Luther
Martin Luther (1483-1546) bietet zur Theodizeefrage folgenden Gedankengang an.
Er spricht davon, dass wir nur das von Gott wissen können, was er uns selbst zeigt. Nennt man theologisch: Offenbarung. Also halten wir uns an Jesus Christus als den deus revelatus (den offenbarten Gott). An Christus können wir alles sehen, was zu erfahren und glauben wichtig ist. Der deus revelatus ist Gott, wie er sich uns mitteilt.
Dennoch ist Gott je größer und letztlich unfassbar. Diese Weise Gottes nennt Luther den deus absconditus (den verborgenen Gott). Wir verstehen ihn nicht und er erschließt sich uns auch nicht in seinem Sein.
Im Blick auf Leiden und alles Ungeklärte halten wir uns an den deus revelatus, also an Jesus Christus. Gott kann auch im Leiden selber am Werk sein, was dann sein Gericht wäre.
ABER:
Weil Gott sich in Christus ganz klar für uns ausgesprochen hat, kann das verborgene Sein Gottes nicht anders sein – auch wenn wir es nicht verstehen.
Denn Gott ist nur einer und nicht zugleich jemand der zugleich tötet und heilt.
Sogar durch Leiden und Tod hindurch kann Gott in seiner Liebe zum Ziel kommen. Das geschieht in der Auferweckung Jesu.
Deshalb kann uns nichts von der Liebe Gottes trennen, wie sie uns in Jesus Christus gezeigt wird (vgl. Röm 8,38-39). Nichts heißt dann auch nichts, keine Macht des Universums.
Der Allmächtige
Wie steht es um Gottes Allmacht? Vorstellungen wie eine starre All-Kausalität können dazu führen, dass wir Gott in ein Schema einpassen wollen. Das unserer Vorstellungen.
Der Allmächtige, griechisch: Pantokrator, wird sinnvoll und klarer übersetzt mit der Alldurchwirkende.
Gott ist noch mehr mächtiger als Superman. Der kann nur super sein, also drüber.
Gott ist so mächtig, dass er sogar ohnmächtig sein kann! Was für ein krasser Gedanke! Meine Vorstellung wird dadurch gesprengt, in dem sie von Gott auch noch überboten wird. Ohnmächtig anwesend und wirkend und darum auch in einem leidenden Menschen anwesend und – wie paradox – mächtig.
Welche eine „All-mächtigkeit“ gegenüber allen rein schematischen kausalen Erklärungsversuchen. In denen Gott vor Gericht gezerrt wird, um sich vor Menschen zu verantworten.
Gottes Rache
Eine Antwort, die ich noch nicht solange kenne, hat auch eine Bedeutung. „Rache ist das orientalische Wort für Ausgleich.“ (P. Imhof) Menschlich gesehen klares Setting. Ob Terminator oder R.E.D, da geht’s zur Sache und das befriedigt oftmals meine Rachegedanken.
Nur lässt sich so das fünfjährige Mädchen (siehe Teil I) nicht wieder lebendig machen.
Deswegen ist der Ausgleich für unschuldiges Leiden Gottes Sache. Er kann viele Welten schaffen. Und letztlich auch einen Ausgleich schaffen für ein unschuldiges Opfer. Sonst würde ja ein Täter in Ewigkeit über sein Opfer triumphieren können.
Einzig ein Ausgleich aus einer anderen Dimension kann das zustande bringen, was innerweltlich nicht möglich ist. Auferstehung zum Leben ist Gottes Gedanke. Auch und besonders für unschuldige Opfer. Z.B. paradigmatisch Jesus selbst. Als Opfer ohnmächtig zu Tode gefoltert. Und zugleich auferstanden.
Schluss, endlich
Ist da eine Frage von mir darin? Fühle ich Leiden am Leiden anderer? Brennt die Frage in mir?
Oder könnte es auch ganz anders sein: Ich bekomme einen Hoffnungsüberschuss. Gott behält das in der Hand, was er angefangen hat. Und das macht er mit der ganzen Welt. Schon sind wir (Ende November 2021) Teil einer Bewegung Gottes in dieser Welt für eine neue Erde unter einem ewigen Himmel. (vgl. Offenbarung 21)
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