Gott ist findig


Gott ist findig

Leben ohne lost-and-found-App

Letztens hatten wir in Bielefeld einen Abend zum Thema Hölle. Da brauchten wir mal ein paar Klärungen. Später hab ich gemerkt: Bei Hölle kannst Du nicht stehen bleiben. Irgendwie muss noch was kommen: Himmel, genau!

Seitdem taucht aber das Thema immer wieder auf. Wer sich manchmal in ausweglosen Gedanken wiederfindet, mag das schon als quälend erleben. Hölle gibt’s also auch innen.

Zwanghafte Gedanken

Versagensängste

Einsamkeit

Nach meiner Beobachtung funktioniert das Prinzip Hölle menschengemacht so, dass wir uns gerne auch mit anderen beschäftigen. Die haben es besser, ich werde ihnen gegenüber ungerecht behandelt, ich werde nicht gewürdigt.

„Irgendwer hat eine bessere Klausur geschrieben als ich.“

„Der Prof gibt mir ein Thema, welches überhaupt nicht zu mir passt.“

Es gibt viele Gründe, um sich den Tag zu vermiesen.

Immer ist einer schneller, weiter, berühmter.

Okay, Prinzip verstanden.

Diese Challenge gibt es auch auf dem Gebiet des Moralischen.

Ich vergleiche mich mit den anderen und bewerte dann: Die und mich

Eine solche Gruppe sind die Pharisäer und Schriftgelehrten. Und die kriegen eine liebevolle Antwort.

Eine dieser Geschichten geht so (Lesung von  Lk 15,1-10)

 

Früher hab ich immer über mein Arbeitszimmer gesagt: Wenn in das Haus eingebrochen wird, dann hoffentlich zuerst hier. Dann sagen die Einbrecher: Mist, alles durchwühlt, jemand war schneller! Mittlerweile habe ich mit meinem relativen Ordnungsprinzip ungefähr angefreundet: Irgendwo hier im Umkreis von 10 Metern muss es sich befinden, was ich suche.

Und wie schön, wenn meine Schlüssel wieder auftauchen, ehrlich.

 

Im Prinzip macht Gott dasselbe. Also suchen. Und das voller Leidenschaft. Das einzige Ziel ist echte Beheimatung. Gott ist die Liebe, stellt sich uns als Vater vor. Und da ist immer schon ein guter Ort, zu sein.

Während ich im Appstore nach einer lost-und-found-and-keep-calm-App suche, hat er schon die Ärmel hochgekrempelt und macht sich auf die Suche. Wie Gott sucht und findet, davon erzählt Jesus diese Gleichnisse.

Z.B. nach einem Schaf, dass ihm in dem Augenblick mehr wert ist als 99 andere.

Die eigentliche Freude ist dann das Finden, nach Hause tragen und die Party mit den Nachbarn und Freunden.

Wir könnten jetzt mit dem Schaf sprechen, was es sich gedacht hat, wieso es sein Handy bei der Herde zurück gelassen hat und kein Geld eingesteckt hat. Wie blöd es eigentlich ist, sich zu verlieren.....

Sorry, ist kein Thema. Für Vorhaltungen ist kein Platz. Möglicherweise interessiert sich Gott einfach nicht dafür. Es ist ihm egal! Welche Freude des Wiederfindens. Welch gutes Gefühl Gottes!

Immer noch stehen die Pharisäer und Schriftgelehrten da und hören sich diese Geschichte an. Ich glaub, das war kein Blutdrucksenker für die.

 

Würde das Schaf denken und sprechen können – kann man ja mal annehmen – welche Ressource steckt in dieser Erfahrung?

Ich kann jederzeit meine Richtung ändern; nichts anderes heißt ja Buße.

Weder muss ich mir den Tag durch schlechte Gedanken vermiesen. Noch durch vergleichen. Ich kann jederzeit umdenken.

Welche Chance! Wenn ich mich verliere in Arbeit, auf Wegen, Gedanken. Immer wird liebevoll und unermüdlich nach mir gesucht!

Was wir häufig mit tut Buße übersetzen, heißt wörtlich: Denk um, dreh dein Denken in die komplette Gegenrichtung.

Und wir sagen dann: „Das wirst Du mir büßen“ – aber wer hat schon Bock auf Buße?

Etymologisch steckt in dem griechischen Wort metanoiete das Wort Nous – das bedeutet Sinn. Davon kommt z. B. englisch to know und sogar das deutsche Wort Nase. Das finde ich krass.

Immer der Nase nach. Wo die hinzeigt, da geht’s dann letztlich auch lang.

Umdenken könnte man daher schlussendlich mit „Nast um“ erklären. Wer seine Nase überall reinsteckt, dem stinkt es irgendwann. Wenn es einem stinkt kann das ein wichtiges Zeichen sein, dass es da nicht lang geht.

Ein bisschen fühle ich mich ertappt. Auch wenn ich nicht immer gut aufgeräumt habe: So schlimm wie die Frau da mit dem Geld bin ich jetzt aber auch nicht!

Kompletter Hausputz bis es im Halbdunkel klimpert + Kaffeetrinken mit den besten Freundinnen. Nur wegen einer einzigen Münze. Meine pharisäischen Anteile wollen doch auch hören, wie sich meine ganze Mühe lohnt. Man kann doch nicht so neben der Spur sein, wie Zöllner und Sünder und dann bei Jesus in der 1. Reihe sitzen?

Jetzt mal ehrlich, sagt Jesus: Wer unter Euch würde es nicht genauso machen, wie der Hirte und wie die Frau mit ihrer verlorenen Münze? Sagt Jesus. Freude im Himmel ist die Freude Gottes am lebendigen Menschen.

 

Und auch der Pharisäer in mir regt sich und entdeckt seine eigenen Ressourcen: Ich könnte auch anders. Ich kann mich auch mitfreuen mit dem Gott der sucht und findet. Ich könnte mich auch selbst in diese Suchbewegung Gottes hineinstellen. Zwar war ich immer brav, so wie ich denke, dass Gott es will, …

Wo habe ich versagt? Oder was habe ich mir versagt, in der Vorstellung, Gott findet das jetzt nicht so gut. 

Ich lese allerdings, wie es um die Sehnsucht Gottes nach seinem geliebten Geschöpf geht, über Stock und Stein, beim Hausputz und heimholen.

Ich entdecke die Freude Gottes an mir ohne Wenn und ohne Aber. Gott ist total findig. Es ist ihm was abhanden gekommen. Und dann die Freude des Findens.

Da hab ich Lust drauf, Projektionen über und auf Gott ade.

Insofern eine Riesenchange. Auch wenn ich mich mal selber verloren habe. Hab ich doch immer die ausgelassene Freude des feiernden Vaters im Ohr, der sagt: „Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.“


Schaf an der Treppe Foto: Ulrich Melzer
Schaf an der Treppe Foto: Ulrich Melzer

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