Freunde
wütend - wild - entschlossen
Ich glaube, das war der schönste Satz, den ich je gehört habe. Und für mich hat er mein ganzes Leben vom Kopf wieder auf die Füße gestellt. Es hat sich extrem gut angefühlt. Und ich werde es nie vergessen.
Um zu verstehen, wovon ich hier erzähle, braucht man auch die Vorgeschichte. Oder besser die ganze Geschichte.
Es ging damit los, dass mich meine Freunde besuchten. Sie kamen zu mir, denn ich konnte nicht raus. Nach und nach war in meinem Leben irgendwas passiert, dem ich erlegen bin. Also wortwörtlich. Das ganze Ungelöste und Schwere war so stark geworden. Ich kam nicht mehr dagegen an. Legte mich ab. Und blieb gleich liegen.
Immer hatte ich versucht, mein Leben auf die Reihe zu kriegen. Weil Glaube in meinem Leben auch ne Rolle spielte, hab‘ ich halt das gemacht, wovon ich meinte: Das gehört sich so. Was war richtig? Was war falsch? Was tut man und was nicht? Was ist normal? Immer mehr Fragen. Sie türmten sich in meinem Kopf. Der war ganz voll davon. Oft grübelte ich auch, um die Lösung zu finden.
Daniel, einer meiner Freunde, meinte damals schon: „Du hast dich verändert! Wo ist denn bei Dir der Spaß geblieben?“ Ich wollte noch widersprechen. Und ahnte schon, dass er recht hatte.
Als Levi später meinte: „Los, heute Abend ziehen wir zu fünft los, wie früher.“ Hatte ich schon keine Lust mehr. Ich war einfach zu müde. Auch von diesen ganzen Sachen da in meinem Kopf. Und mittlerweile waren sie auch schon in mein Herz gewandert.
So hatte ich mich eingerichtet in meiner Müdigkeit. Erschöpft vom Grübeln. Ohne jemals an ein Ende zu kommen.
Wütende Freunde
Dann kam der Tag X.
Meine Freunde tauchten plötzlich bei mir auf. Sie waren so anders als sonst. Wild entschlossen ihre Gesichter, gerade zu wütend.
Daniel sagte noch kurz: So, es reicht! Du spinnst doch! Und schon hatten sie meine Kline ergriffen auf der ich lag.
Sie brachten mich in ein Haus, in dem eine Lehrveranstaltung stattfand. In der sollte es auch um Religion und so gehen, soviel hatte ich schon verstanden.
Der Raum war so voll, dass wir gar nicht mehr reinkamen.
Und jetzt drehten sie völlig durch.
Wuchteten mich auf das Dach, die Pfannen weg und ein Loch ins Dach gemacht. Und an den Seilen, mit denen sie meine Kline, also mein Bett getragen hatten ließen sie mich hinab, mitten in diese Lehrveranstaltung. Hauptsächlich nur Theologen. Und in der Mitte der Lehrer, Jesus von Nazareth. Ich hatte aufgegeben zu protestieren. Wie ich auch aufgegeben hatte, gegen das Grübeln in meinem Kopf zu protestieren.
Die Freunde schauten durch das Loch nach unten. Jesus schaute durch die Decke nach oben.
Es wurde kein Wort zwischen ihnen gesprochen. Und doch: Es schien eine heimliche Absprache zwischen Ihm und meinen Freunden zu geben.
Ein Augenblick atemlose Stille. Von oben rieselte etwas von der Decke nach. Da lag ich nun.
Das Geschenk des Himmels
Bevor ich es vergesse: Freunde sind ein Geschenk des Himmels! Also meine Freunde! Sie haben mich immer so gelassen, wie ich bin. Und sie haben zugleich niemals die Hoffnung aufgegeben, dass sich meine Situation noch verändern kann. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Dieses ganze Grübeln darüber, was man darf und was nicht, was in Gottes Augen erlaubt ist und was nicht – bloß keinen Fehler machen! – hatte sich damals zu einem einzigen Drama entwickelt. Meine Situation war die totale Niederlage. Da lag ich und die Ärzte diagnostizierten: Paralyse, also eine Lähmung. Nur Hilfe gab es keine. Einmal kam einer, der noch eine Zusatzinfo hatte: Para und Lyse heißt wörtlich: Ich würde neben der Lösung leben. Na prima, dachte ich. Knapp vorbei ist auch daneben! Nur verändert hatte sich nichts. Ich blieb weiterhin gelähmt. Mit der Zusatzdiagnose: Lebt neben der Lösung.
An sich hatten wir uns auch aneinander gewöhnt. Ich erlag meinen Gedanken und Glaubenssätzen. Und die Niederlage, die Kline hielt mich schön am Boden. Erst später erfuhr ich: Klinik kommt von Kline. Ich war reif fürs Krankenhaus.
Und dann kamen meine Freunde.
Sie glaubten einfach immer noch an mich. Oder glaubten sie sogar für mich? Mir war inzwischen alles egal. Der Turm unerledigter Gedanken im Kopf war haushoch. Ich lebte schweren Herzens.
Die Niederlage
Dieser eine Blick von Jesus nach oben. Als hätten die sich verabredet.
Dann schaute er mich an und sagte diesen Satz, der mein ganzes Leben veränderte: „Mein Freund, dir sind deine Sünden vergeben!“
Ein Wimpernschlag Schweigen im Raum. Dann wurde gemurmelt. Das aber hörte ich schon gar nicht mehr.
In mir zerbröselte etwas. Der Berg aus Ungelöstem fiel wie in Zeitlupe zusammen. Nicht nur, dass ich diesen Satz hörte. Ich konnte ihn auch fühlen und sehen, ja geradezu mit allen Sinnen spüren. Es geschah einfach. Und ich fühlte, wie mich diese Wärme durchströmte. Vom Kopf bis zu den Zehen. Ich wusste, dass es wahr ist, was er mir gesagt hat.
Der schönste Satz überhaupt!
Während ich offenkundig bei Sünde immer an richtig und falsch gedacht hatte, bis mein Gewissen kaum noch atmen konnte, kam hier die Freiheit zurück. Wie sollte es auch anders sein: Für den Ewigen sind doch Sünden genauso leicht zu vergeben, wie meine ganzen gedachten Richtigkeiten.
Sobald eine Freiheitsgeschichte neu beginnt, gibt es Stress. Denn die studierten Theologen runterherum waren mit dem Satz gar nicht einverstanden. Das kann nur Gott selbst. Und schon waren sie wieder bei richtig - falsch. Meine Lähmung galt nämlich in ihren Augen als Strafe Gottes. Also voll verdient.
Ich hörte nur halb hin. Das warme Gefühl hielt an als Jesus sich noch einmal an mich wandte: „Ich sage Dir, steh auf, nimm deine Niederlage und geh nach Hause!“ Und das tat ich. Es hatte sowieso in mir gezuckt.
Oben am Loch hörte ich ein Klatschen. Die Freunde klatschten sich ab, als hätten sie beim Basketball gerade einen Korbleger gemacht.
Das fand ich erst peinlich. Und dann sofort danach super. Meine neue Freiheitsgeschichte hatte begonnen. Auch die Freiheit, den anderen ihre Freiheit zu lassen. Wir mussten lachen.
Manchmal aber falle ich noch zurück ins Alte. Wenn ich davon höre, wie Menschen Sünde einfach moralisch begründen. Da ist es dann wieder zu spüren, das Alte: das darf man und das darf man nicht. Was für eine Erbsenzählerei!
Und dann bin ich wieder still. So hab‘ ich ja selbst mal geglaubt. Und eine verfehlte Freiheitsgeschichte nahm ihren Lauf.
Ich habe jetzt auch keine Lust mehr, hinter meinen Möglichkeiten zurückzubleiben.
Gestern sind meine Freunde und ich wieder losgezogen. Wie früher.
Wir dachten noch einmal an den Einbruch von oben, als sie das Dach kaputtgemacht haben, damit in mir was heile würde.
Und noch einmal fragte ich: Woher wusstet ihr das? Das mit Vergebung und Liebe und Freiheit? Und woher wusstet ihr, dass durch Jesus das kann? Damit wir wieder frei und ganz werden?
„Und auf die Füße kommen!“ zwinkerte Jakob.
„Wir wussten nichts.“ entgegnete Levi. „An dem Tag hatten wir halt nichts anderes vor. Und wir wollten einfach mal wieder mit dir losziehen. Da sind wir da rein zufällig vorbeigekommen.“
Alle nickten.
Und ich glaubte ihnen kein Wort!
Mein Herz jedoch schlug bis zum Hals vor Glück.
Und in mir jubelte ein Lied für diesen wunderbaren Gott.
Hatte Jesus mich auch noch als Freund bezeichnet? Jedenfalls ist es genauso. Und wenn es mal wieder ganz dicke kommt? Dann sehe ich wie sein Blick auf mir ruht. Und ich höre: Mein Freund, steh auf! Und nimm deine Niederlage und geh nach Hause.
Und das mache ich.

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