Lieblingsfilm - Remake voll abgedreht


Lieblingsfilm

Remake voll abgedreht


 

„Können wir gerne zusammen anschauen“, sage ich. Das war dann die zweitbeste Idee. Meinen Lieblingsfilm hab‘ ich schon so oft gesehen, dass ich einfach nicht die Klappe halten kann. Und schon vorher die nächste Szene verrate. An sich brauche ich gar nicht mehr genau hinzuschauen. Allein an der Filmmusik weiß ich, was jetzt kommt.

 

„Lies doch mal Lk 15,11-32“ sagt mir jemand.

 

Auch da: „Weiß ich, kenn ich. Das mit dem Sohn. Und dann ist der weggegangen, hat alles auf den Kopf gehauen….“

 

Als würde ich einmal mehr meinen Lieblingsfilm anschauen. Und das oberflächlich.

 

Dennoch: Ich habe Zeit und Ruhe. Und schaue genau hin. Schon bin ich mittendrin. Reingesogen in die Geschichte.

Relecture wäre also der Vorschlag. An mich selbst! Nochmal lesen. Und wirken lassen.

 

Hab‘s einfach gut:)

Jedenfalls war ich dann irgendwie geflasht.

Und er (Jesus) sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie.

 

„Hab und Gut“ klingt so nach Geld und Geschirr. Wörtlich aber steht da:  ousia und ton bion. Der Vater teilt von seinem Wesen (ousia) und seinem Leben (bios) aus. Interessanter Aspekt: Was wird den Söhnen mitgegeben? Letztlich vom Wesen und Leben des Vaters. Und das ist noch umfassender als materielles Erbe. Ein echtes Freigeben. Hier, bitteschön, es ist für Dich!

Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. (V.13)

 

Es satthaben

Ich werde stutzig. War das nicht diese Geldsache da? Dass der die ganze Kohle vom Alten im Ausland ausgibt? Und die vielen Frauen? Wörtlich heißt es aber, dass sein Leben heillos war.

Da ist nichts mehr, was Dich heil macht. Logische Konsequenz ist die Schweineherde. Schweine sind unreine Tiere.

Da finde ich mich an einem Ort wieder, an dem kultisch, religiös, spirituell nix mehr geht. Null Ressource. Nur Hunger.

Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm V.14-16)

Jedenfalls reicht das überhaupt nicht für schlichte Moral: „Schau mal, was der gemacht hat?!“ Es geht um die Konsequenzen eines Handelns, die beschrieben werden: Sein Leben wird heillos, oder anders: Der Mann lebt im Unheil.

Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.  Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich! (17-20)

 

Klar, ne gute und schlüssige Erklärung, eine ehrliche Entschuldigung – das hat was. Zwischenmenschlich hat das oft schon die Situation gerettet. In diesem Fall wäre ein Job und was zu essen das Traumziel.

 

‘schuldigungsfrei leben

Was ist mit meinen vielen Entschuldigungen und auch Selbstverurteilungen? „Ich bin… nicht mehr wert, dass…“

Verspreche ich mir etwas davon? Dass andere mir vergeben? Dass es wieder okay ist – irgendwie?

Hier die Antwort:

Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.

 

Fakt ist: Der Vater geht mit keinem Wort auf die Entschuldigung ein! Und freut sich umso mehr, dass sein Sohn wiedergefunden ist und lebt.

 

Manche Szenen kann man nicht spoilern. Anderswo wäre ein Riesenkrach losgegangen.

Hat sich Gott jemals für Deine Entschuldigungen oder Erklärungen interessiert? Oder Selbstabwertungen?

Genau. Es interessiert ihn nicht. Insbesondere, wenn es um Projektionen geht. Wer ist denn der Mensch, der es nicht mehr wert ist, ein Kind des Ewigen zu sein? So einen Quatsch können sich nur Menschen ausdenken. Es ist ein Gedanke aus Scham, der dann an Gott festgemacht wird.

Stattdessen gibt es ein Fest voller Freude. Hier geht es um’s Wiederfinden. Um Lebendigkeit.

Das muss gefeiert werden. Die Party wird groß und großzügig.

 

 "Mir fällt die Chipstüte aus der Hand!"

Mein neuer Lieblingsfilm ist ab jetzt der, der mich überrascht: Mit Liebe. Oder theologisch gesprochen: Mit der Barmherzigkeit des Vaters.

 

„Wo bist Du gewesen?“

„Was hast Du getan?“

Vorwürfe als Standardprogramm für die eigene Empörung. Und es bleibt heillos.

 

Für Gott bist Du eine Freude. Seine ganze Barmherzigkeit gehört Dir. Für immer und ewig ein Kind eines barmherzigen Vaters.

 

 

„Mir fällt die Chipstüte aus der Hand! So kann das doch nicht ausgehen? Was ist denn das für ein Lieblingsfilm?“ sagt mein Freund.

 

„Ähm ja“, stottere ich. „Es fehlt so ein richtig dramatisches Ende. Das wäre dann der Cliffhanger für eine weitere Folge.“

 

„Hatte der nicht einen Bruder? Und was hat der gemacht?“

 

„Gute Frage“ sage ich. Jedenfalls möchte ich ab jetzt wieder genauer hinschauen und hinhören. Es gibt Filme, die kann man einfach nicht vorhersagen. Und Geschichten, die ich nicht oft genug hören kann.

 

Foto: Josue Escoto
Foto: Josue Escoto

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Kommentare: 1
  • #1

    Jurek Preker (Mittwoch, 31 August 2022 15:35)

    Ein schöner Impuls! Auch aus vermeintlich ausgelutschten Texten, die man schon hunderte Male gehört hat, kann man immer noch neue Gedanken herausziehen und den Fokus auf Aspekte legen, die bisher nie aufgefallen sind.�