"Alles bei euch geschehe in Liebe!" (1. Kor 16,14) Jahreslosung 2024

Das hier ist die Geschichte von Vanessa Nakate. 27 Jahre alt und Klimaaktivistin aus Uganda. In einem Interview erzählt sie, wie sie zur Aktivistin wurde und was sie antreibt. Die gläubige Christin engagiert sich u.a. bei Fridays for Future. Sie ist die bekannteste Klimaaktivistin auf dem afrikanischen Kontinent und war auch auf der Weltklimakonferenz.

Und sie wird gefragt, ob wir uns schuldig fühlen müssen, wenn wir untätig bleiben.

Und Vanessa Nakate antwortet: „Ich würde nicht von Schuld sprechen. Es geht darum, sich der eigenen Privilegien und der historischen Verantwortung bewusst zu werden und entsprechend zu handeln. Auf der Grundlage von Schuld kann nichts Fruchtbares entstehen.“ (aus ZEIT Nr 51/2023)

Deshalb soll anderen auch kein schlechtes Gewissen gemacht werden.

„Unsere Arbeit soll von Liebe zu unserem Planeten getragen sein und dazu ermutigen, ihn zu einem besseren Ort für uns alle zu machen. Wir sind alle Lernende, auch Aktivisten sind keine perfekten Umweltschützer. Schuld hätte mich vielleicht dazu gebracht, mit dem Klimaaktivismus anzufangen, sie hätte mich aber nicht weitergetragen. Ich hätte wahrscheinlich nicht die Organisationen Youth for Future Africa und Rise Up Movement gegründet, um in meiner Heimat Aufklärungsarbeit über den Klimawandel zu leisten, würde nicht an UN-Klimakonferenzen teilnehmen oder wäre UNICEF-Botschafterin.“

Wow, was für eine Antwort!

Natürlich kannst Du fragen, wer woran schuld ist. Z.B. an dem, was Dir im zurückliegenden Jahr nicht gefallen hat oder – sagen wir es ganz direkt – einfach nur schrecklich war.

Was also liegt Dir noch auf der Seele von diesem Jahr? Und wie kann es sich so verwandeln, dass Du es nicht in das Jahr 2024 mitnehmen musst?

Ja, manchmal muss man benennen können, wenn jemand etwas verpatzt hat. Und es wäre schön, jemand hat den Mut, zu seinem Handeln zu stehen. Und übernimmt Verantwortung. Aus Verantwortung heraus lässt sich handeln; „Das war nicht ok, in Zukunft werde ich es anders machen“, das ist ein Satz aus Verantwortung.

Und weiter gefragt: Wie könnte ich selbst es in Zukunft anders machen, auch leichter für mich selbst? Die Arbeit ist von Liebe zum Planeten getragen, sagt Vanessa Nakate. Was für eine Perspektive für das kommende Jahr. Mach doch Dein Umfeld zu einem besseren Ort für Deine Nächsten, Deine Mitmenschen. Und das aus Liebe. Höchste Zeit für Verwandlung. Mit der Schuldfrage kann man nicht in eine für alle gute Zukunft kommen.

Jahresrückblick - Jahresvorblick

Und ich bin mittendrin in meinem kleinen Jahres-vor-und-Zurückblick. Die Jahreslosung 2024 – ein Vers, der uns durch das kommende Jahr begleiten soll – bringt es auf den Punkt: "Alles bei euch geschehe in Liebe!" (1. Kor 16,14).

Da ging mein Jahr gut los; auch der Sommer war noch schön. Im Herbst kam ein Absturz. Ich habe lange gebraucht, um für mich selbst zu verstehen: Du wurdest auf der Straße durch einen Unfall schwer verletzt. Das ist bald zwölf Wochen her und die Folgen sind immer noch da.

"Alles bei euch geschehe in Liebe!"  schreibt Paulus an die Gemeinde in der Hafenstadt Korinth.

Und ja: Da macht sich ein mulmiges Gefühl in mir breit. Kuschelige Romantik, Candlelight Dinner oder so? Schönen Dank auch! Das trifft so gar nicht das Lebensgefühl von Menschen, deren Jahr 2023 mit Schicksalsschlägen angefüllt war.

Für mich habe ich deshalb ein Bild gewählt, eine ganz individuelle Übersetzung für die Gedanken der Jahreslosung: Kann ich das, was geschehen ist, umarmen? Kann ich für einen Augenblick annehmen und hoffen: Es gehört jetzt zu mir und ich lasse es so. Ohne Schuldige zu suchen, ohne alles erklären zu wollen.

Verwandlung

Wie also umgehen mit dem, was aus diesem Jahr noch übrig ist?

Welche Verwandlung führt zu einem inneren Frieden? Wut, Trauer, Schuldige suchen – all das kann man machen. Manchmal ist es sogar dringend dran. Und dennoch: Auf der Basis von Schuld kann nichts Fruchtbares wachsen, so Vanessa Nakate.

Es ist vielleicht wie bei einer Muschel: Eindringende Fremdkörper werden Schicht für Schicht überzogen. Mit Perlmutt. Und dann wird aus einer Verletzung eines Tages eine Perle.

Der Ursprung und das Ziel der Liebe von der Paulus redet ist Gott. Wie er sich in unserer Welt gezeigt hat. In Jesus Christus kommt Gott und Mensch zusammen. Und welches Leiden …. Und welcher Glanz des achten Tages, der Auferstehung. Die Liebe ist das Ziel aller Gebote Gottes. Was sich nicht umarmen lässt ist noch nicht so bei mir angekommen, dass ich damit halbwegs in Frieden leben kann.

Ich muss nicht alles gut finden. In der Haltung der Liebe lässt sich auch spüren, wenn tiefe Ungerechtigkeit geschieht. Und es Zeit ist, sich zu wehren. So kann es ja nicht weiter gehen! Widerstand ist angesagt!

Schöpferische Liebe

Und so kann Paulus sogar ein Lied auf die Liebe (das Hohelied der Liebe, 1. Kor 13) dichten. Die Liebe ist das größte Geschenk Gottes.

"Alles bei euch geschehe in Liebe!" 

Wer da noch ein bisschen verweilen möchte: Im griechischen Begriff für „geschehe“ (ginestho v. ginomai) steckt ein Verb, das auch in „Genesis“ vorkommt. Sei schön lieb und brav ist in diesem Sinne keine gute Übersetzung. Besser: Lass alles im schöpferischen Raum der unbedingten Liebe geschehen. Genesis ist Schöpfung. Und in der Liebe in Person, Jesus Christus, geschieht Neuschöpfung.

Schau doch mal, wie sich die Liebe schöpferisch ausbreitet! Also etwas Neues hervorkommt, was vorher noch nicht zu sehen war.

Da muss ich nicht alles verstehen von dem, was war. Und auch nicht alles von dem, was kommen wird. Die schöpferische Liebe setzt sich in dieser Welt durch. Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages. In der dunkelsten Zeit des Jahres geschieht Neuschöpfung, wird die Geburt Jesu Christi gefeiert. Das Licht der Welt erhellt alles.

Jedenfalls – was mich betrifft - habe ich mir vorgenommen, nicht die Sinnfrage zu stellen. Und dauernde Erklärungen (gerne auch anderer) braucht auch niemand. Oder hat Dir jemals geholfen, dass jemand erklären konnte, wie Schmerzen eine Verletzung begleiten?

Was ist Deine Berufung?

Und wie sähe schließlich Dein persönlicher Wunsch für 2024 aus? Der Jahresausblick kann gewagt werden.

Da würde ich im Augenblick für mich sagen: Die schöpferische Liebe soll sich mehr und mehr ausbreiten. Vielleicht wird daraus eine neue Klimaaktion, vielleicht erlebt jemand seine Berufung an anderer Stelle und folgt ihr.

Widerstand ist angesagt gegen alles, was das Leben zerstört: Gesellschaftlich, klimatisch – und eben auch in mir. Und dieser Widerstand entsteht im Raum der Liebe.

"Alles bei euch geschehe in Liebe!" 

Was mich zu einem Segenswunsch für das kommende Jahr führt. Der auch für Verletzte passt:

Was ich dir wünsche

„Ich wünsche dir nicht ein Leben ohne Entbehrung,

ein Leben ohne Schmerz,

ein Leben ohne Störung.

Was solltest du tun mit einem solchen Leben?

Ich wünsche dir aber,

dass du bewahrt sein mögest an Leib und Seele.

Dass dich einer trägt und schützt und dich durch alles,

was dir geschieht, deinem Ziel entgegenführt.“ 

Jörg Zink

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